Das Jahr 1938

Die hier zitierten Artikel können hier im Download auch so angesehen werden, wie sie in der jeweiligen Zeitung erschienen sind. 

Das Jahr 1938.pdf
PDF-Dokument [220.8 KB]

05.03.1938 Die Glocke Der neue Wehr-Schach-Sport  (off-topic)

Der neue Wehr-Schach-Sport

Das Deutsche Volksbildungswerk hat sich in Anerkennung des lehrreichen und volksbildenden Wertes des Wehr-Schachspiels entschlossen, in den Volksbildungsstätten Wehr-Schach-Kurse einzurichten. Der Wehr-Schachsport ist ein Ausdruck unseres wehrhaften Geistes und Willens und unserer wehrhaften Macht, aber es ist vollkommen abwegig, zu denken, der Wehr-Schachsport „erzieht zum Krieg“, dann könnte man ebenso gut das harte Sportspiel des Fußballs dahin werten oder irgendeine andere sportliche Übung. Das Wehr-Schachspiel wirkt ohne Zweifel erzieherisch und bietet in seiner wechselnden Vielfalt eine wertvolle Geistesschulung. Es werden logische Beurteilung und rasche Anpassung an die Pläne des Gegners gefordert. Das Wehr-Schach besitzt ausgesprochen militärischen Charakter und entspricht bei unkomplizierten Spielregeln in allen Teilen den Bewegungsgesetzen und der Kampfkraft der verschiedenen Waffengattungen von entscheidender Bedeutung, wie sie moderne Feldheere aufweisen. Strategie und Taktik sind beim Wehr-Schach leicht gemacht. Jeder ist sein eigener Feldherr auf dem Schachbrett. Taktik ist die Kunst der Waffen- und Kampfführung, umfasst also alle Anordnungen für den Kampf selbst. Der Wehr-Schachsport verlangt weiterhin die Kunst der taktischen Zusammenarbeit verschiedener Waffengattungen und bildet zusammen mit der Strategie die Kriegskunst im allgemeinen. Die Strategie hat die Aufgabe, den leitenden Gedanken für die Kriegsführung festzulegen, den Aufmarsch zu leiten, im Wehr-Schachspiel den Plan des gesamten Vorrückens und Einsetzens der verschiedenen Figuren mit dem Endziel, den Gegner zu vernichten, zu verwirklichen. Der Spieler, der verliert, wird beim nächsten „Feldzug“ alle Kraft daransetzen, seine Taktik zu ändern, eine bessere Kriegsführung anzuwenden und aus den gewonnen Erfahrungen fortlaufend zu lernen. Jeder Deutsche findet im Wehr-Schachspiel eine unerhörte praktische geistessportliche Aufgabe, die jeden mit ganzer Freude und Liebe anpackt.
Wer einmal am Wehr-Schachbrett gesessen hat, wird zum leidenschaftlichen Anhänger des Wehr-Schachspiels. Schon wenige Monate nach Erscheinen des Wehr-Schachspiels hat sich der Wehr-Schachsport die Herzen der deutschen Jugend, der Wehrmacht und altgedienten Soldaten erobert. Der Wehr-Schachsport verlangt vom Spieler die Anwendung einer rein militärischen Denkweise. Die hundertfältigen Möglichkeiten der Lösung strategischer und taktischer Aufgaben gewähren jedenfalls eine spannende und interessante Geistesschulung und stellen einen wertvollen Beitrag zur Förderung der deutschen Wehrerziehung dar.

27.10.1938 Die Glocke     - Exkurs - Schach in der Zeit

Schachspiel als Freizeitgestaltung

…Das uralte Schachspiel ist heute, im Gegensatz zu früheren Zeiten, wo auf der einen Ecke des Brettes goldene Sporen klirrten, während auf der anderen Seite der Hermelin oder die Sutane prunkte, kein Privileg der Bevorzugten oder des Geistesarbeiter mehr. Denn in der heutigen Zeit hat schon der schaffende Volksgenosse, ganz gleich, ob Arbeiter der Stirn oder der Faust, mit berechtigter und froher Hand in seiner Freizeit nach dem königlichen Spiel gegriffen. Das weisen die Schachabende der Vereine und Schachgemeinschaften vieler Betriebe und weiterhin die Teilnehmerlisten der überall zum Austrag kommenden Vereins-, Stadt- und Meisterturniere klar auf. Es ist schon eine Tatsache geworden, dass mitunter die schwielige Hand weit glücklicher laviert als die sogenannte Durchgeistigte. Im Schachspiel ist das Gefühl der Deklassierung völlig ausgeschaltet. Hier gibt es keinerlei Gegensätze, denn hier spielt der Meister mit dem Lehrling, der Lehrer mit dem Schüler und dort spielt der einfache Volksgenosse mit seinem höchsten Vorgesetzten eine ernste Turnierpartie, bei der nur das schachliche Können entscheidet.
Das Schachspiel ist als das aufzufassen, was es seiner ursprünglichen Sinngebung nach sein will: Symbol und Ausdruck des charakterlichen Kampfes Mann gegen Mann. Dieser äußert sich in der Schachpartie nach zwei Seiten hin: Nicht darum handelt es sich, seinen Partner mit Schläue und Hinterlisten niederzuringen, sondern dessen Fehler und Unzulänglichkeiten seines Denkens und seiner Phantasie als solche zu nutzen, wie auch umgekehrt die eigene Niederlage dazu dienen soll, bestimmte Mängel der eigenen Struktur zu erkennen und an ihrer Ausmerzung an sich selbst zu arbeiten – ein sinnvolles Wechselspiel von Arbeit und Spiel -!